Die Unternehmensstruktur für wahre Agilität

Das Modell der agilen Unternehmensführung hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen und ist mittlerweile weltweit ein zentrales Thema bei der Verbesserung der Wertschöpfung von Unternehmen. Agile Strukturen, Managementmethoden und IT nutzen das enorme Potenzial von intuitiven und iterativen Kräften im Unternehmen.
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Inhaltsverzeichnis

Damit stehen sie im Gegensatz zur traditionellen Top-down Planungslogik, die seit der Frühzeit der Industrialisierung die Unternehmen dominiert. Neben dem Faktor Mensch spielt dabei auch intelligente Software eine immer wichtigere Rolle.

Der Begriff des agilen Projektmanagements stammt ursprünglich von einer Methode zur Entwicklung von Software. Da hier das Endergebnis im vorhinein nicht exakt definiert werden konnte zeigte sich, dass selbstorganisierende und funktionsübergreifende Teams, die kollaborativ an der Entwicklung der Lösungen arbeiten dafür am besten geeignet sind. Dieser agile Ansatz beruht auf einer adaptiven Planung und kontinuierlichen Verbesserungen. Diese Herangehensweise fördert schnelle und flexible Reaktionen auf Veränderungen, die durch zunehmende Erkenntnisse über den gesamten Entwicklungsprozess erforderlich sind. Das Prinzip der Agilität beinhaltet auch kurze Feedbackschleifen, in der die Mitglieder der Teams sich täglich über erledigte Jobs und mögliche Barrieren oder neue Herausforderungen austauschen – persönlich oder über Kommunikations-Tools. Diese persönliche Interaktion richtet sich an den aktuellen Bedarfen aus, verkürzt die Durchlaufzeit, sorgt für die Einbeziehung verschiedener Perspektiven und Ideen und erhöht damit die Ergebnisqualität.

Mit dem Wandel mithalten

Der erfolgreiche Softwareentwicklungsansatz wurde in Folge von Beratern und Managern übernommen und zunehmend auf ganze Organisationen ausgeweitet. Seit dem Scientific Management (Fordismus, Taylorismus des frühen 20. Jahrhunderts) gilt das agile Management als der Top-Ansatz für Unternehmen aller Branchen. Vor allem in der aktuellen Welt, in der neue, zunehmend intelligente Technologien ganze Branchen innerhalb weniger Jahre disruptieren, müssen Unternehmen extrem anpassungsfähig sein. Zudem ermöglicht Agilität in nie dagewesenem Ausmaß die Skalierung von Unternehmen, die ja auch auf permanenter Veränderung von Strukturen, Rollen und dem Management wachsender Komplexität beruht.

Implementierung von Agilität

Agilität wird damit zunehmend zu einem unabdingbaren Erfordernis, um mit der Zeit mitzuhalten, sich rasch weiterzuentwickeln und den sich wandelnden Kundenansprüchen gerechte Produkte und Services zu liefern. Um die Agilität sicherzustellen, muss sie effektiv organisatorisch implementiert werden.

Laut einer aktuellen Studie des führenden US-Innovations-Beratungs-Unternehmens ‚PA Consulting‘ anhand der Analyse von 500 Unternehmen fördert die organisatorische Agilität auch die finanzielle Performance. Damit ist sie der wichtigste Faktor, um Unternehmen dabei zu helfen, auf technologische, kundenbezogene und gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Die Umfrage unter 500 hochrangigen Führungskräften ergab, dass die hinsichtlich ihrer finanziellen Leistung Top-10-Unternehmen mit 30 % höherer Wahrscheinlichkeit agil sind.

Die Bremser: alte Strukturen und Software

Aufgrund der Erkenntnisse ist die Einführung von organisatorischer Agilität der effektivste Weg, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein und sicherzustellen, dass ein Unternehmen heute und morgen erfolgreich ist. Dafür muss oft das ganze Geschäftsmodell grundlegend überarbeitet werden, wobei viele Unternehmen von ihren gewachsenen, starren und komplexen Organisationsstrukturen und veralteter Software ausgebremst werden. Dazu ein Beispiel aus der Bankenbranche: Die wichtigsten Kernanwendungen eines Großteils der systemrelevanten Banken in Europa wurden mit COBOL oder artverwandten Programmiersprachen aus den 1950er Jahren geschrieben – die Technologie hinter COBOL beruht letztlich auf den alten Lochkarten, simplen Programmen, die historisch zur Steuerung von mechanischen Webstühlen entwickelt wurden. Diese Banken arbeiten also bis heute mit einem dreistufig weitergeführten System, das letztlich auf den alten mechanischen Webstühlen beruht. Immer verzweifelter versuchen die Banken, nach außen zeitgemäß, weltgewandt und nach dem Prinzip des Omnichannel-Services aufzutreten: Jeder Interessent und Kunde, egal über welchen Kanal er kommt, soll immer dieselben Möglichkeiten und Informationen haben – egal ob Schalter, Telefon, Webseite, Handy-App, WhatsApp oder Datenbrille.

Etwa 80 % aller Banken kämpfen bis heute mit diesem Altbestand. Dass damit keine hohe Agilität erzeugt werden kann, ist leicht nachvollziehbar. Der Weg zur echten Modernität führt also nur über die Erneuerung der kompletten technischen Basis. Alle Top-Bankenmanager wollen genau dorthin – dennoch ist bis heute kaum einer bereit, diesen entscheidenden Schritt zu setzen.

Agile Services statt starrer Produkte

Auch in anderen traditionellen Branchen zeigen sich ähnliche Szenarien, die eine Transformation zur agilen Organisation verhindern. Wie das hingegen gelingen kann, zeigen vor allem viele Softwareunternehmen. Durch die Ausrichtung auf die Erwartungen von Kunden und Märkten entwickeln sich immer mehr Unternehmen vom IT-Service Provider hin zum Digital Solution Provider. Es wird also nicht die Produktperspektive des Herstellers eingenommen, also ein fixes Produkt zu verkaufen sondern die Bedürfnisperspektive der User: Welches Problem können wir lösen? Auf diese Frage muss agil reagiert werden, damit werden die Services auch immer besser, das ganze Unternehmen wird besser und die Kundenbindung wird gestärkt. Das bedeutet wiederum eine hohe Weiterempfehlungsbereitschaft und niedrige Akquisitionskosten für das agile Unternehmen.

Vertikale Produktentwicklung

Bei der klassischen Organisation von Produktionsunternehmen gab es durch einen ‚horizontalen Produktschnitt‘ Brüche durch die Organisationseinheiten, wie etwa zwischen dem Rechenzentrum und der Entwicklungsabteilung. So werden digitale Produkte bereits heute nicht mehr horizontal geschnitten. Auch andere, hochgradig agile Unternehmens weisen heute bereits einen ‚vertikalen Produktschnitt‘ auf. Mit diesem vertikal ausgerichteten Organisation können Produkte und Services ganzheitlich – bis hin zum Markttransfer – betrachtet und gemanagt werden. Die koordinierende Aufgabe übernehmen Produktmanager, die mit allen relevanten Akteuren im Unternehmen agil vernetzt sind. Von der Erhebung der Kundenanforderungen über die Prototypen-Entwicklung, Testen, Betrieb, Lifecycle Management und Growth Hacking (kreative und kostengünstige Ansätze des Online Marketings, von der Suchmaschinenoptimierung bis zu Viral Loops) werden alle Aufgaben, die das Produkt betreffen, von dem Team des Produktmanagers übernommen.

In klassischen Organisationen gibt es hingegen je Aufgabe ein abgegrenztes Team: einen Vertriebsleiter, der den Markt kennt, eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung und eine Marketing- und PR-Abteilung. Alle neigen dazu, ihre eigenen Ziele zu entwickeln und eigene Interessen zu verfolgen. Damit fehlt die ganzheitliche Perspektive, die gemeinsame Vision für das Produkt und die Grundlage für agiles Reagieren auf sich ändernde Bedarfe.

BizDevOps: New Value Generation mit interdisziplinären Teams

Die Zusammenführung aller Aufgaben in einem Team erfolgt mit der Einführung von Business, Development & IT-Operations (BizDevOps). Mit diesen interdisziplinären Teams wird es möglich, auf Basis einer digitalen Transformation die Wertschöpfung zu steigern und damit einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen für das ganze Unternehmen zu generieren, wie z.B. vom Service Provider zum Solution Provider. Die Einführung eines vertikalen Produktschnittes erfordert eine radikale Änderung der Organisationsform. Weil die Verantwortung für ganze Produkte nun durch Teams getragen wird, muss hier auch die Entscheidungskompetenz liegen. Diese dezentrale Struktur beschleunigt die Entwicklungs- und Anpassungsgeschwindigkeit erheblich.

Es gibt verschiedene agile Organisationsmodelle, je nach Einsatzgebiet und administrativem Overhead. Allerdings: Die Agilität muss stets auf allen Ebenen der Organisation eingeführt werden, auch das Top-Management muss in die agile Arbeitsweise eingebunden sein.

Neues Denken braucht neue Köpfe und Algorithmen

Die fachliche und die IT-Expertise wird in jedem Team zusammengeführt. Diese interdisziplinären ‚Wirtschaftsinformatiker‘ werden zur treibenden Kraft des digitalen Wandels. In der Praxis bewährt es sich, dafür Neueinstellungen vorzunehmen. Die Praxis zeigt, dass es sich nicht lohnt, ‚Alteingesessene‘ umzuschulen, deren Denken von den Jahrzehnten in klassischen Strukturen geprägt ist. An ihrer Stelle müssen Digital Natives die Transformationsphase zum agilen Unternehmen bewältigen. Das alte Top-Down Management muss also abgeschafft werden, nur charismatische Leader bleiben. Diese motivieren im Sinne der ‚transformationalen Führung‘ durch die authentische Kommunikation ihrer Vision und ihre Vorbildwirkung. Das ‚Excel-Management‘, das mittlere Management wird in den kommenden 5 bis 10 Jahren abgelöst. Immer mehr Algorithmen werden diese Aufgaben selbstlernend immer besser und schneller erledigen.

Statt der klassischen hierarchischen Organisation mit abgegrenzten Abteilungen werden vielseitig vernetze, selbststeuernde Teams aufgebaut. Das Management dieser selbststeuernden Teams erfolgt auf Grundlage von Zielvorgaben und zu erreichenden Schlüsselergebnissen (Objective & Key-Results, OKR), die der steuernden Motivation dienen. Bei OKR geht es vor allem um die exzellente Ausführung. Das Ziel gibt die Richtung vor und die messbaren Schlüsselergebnisse beweisen den Erfolg oder Nichterfolg. Dieses Zielsystem eignet sich für ganze Unternehmen, für einzelne Teams wie auch für einzelne Mitarbeiter. Die Ziele müssen inspirierend und motivierend sein. Dafür muss stets die Frage nach dem ‚Warum?‘ beantwortet werden können. Denn Ehrgeiz und Leidenschaft können bei Menschen nur entfacht werden, wenn eine klare und überzeugende Vorstellung vom Sinn besteht.

Während das Management der Teams in agilen Organisationen von charismatischen Personen übernommen wird, steuern Algorithmen und Software die Koordination dieser agilen Teams, wie z.B. ‚Atlassian Jira‘. Dafür müssen Schnittstellen zur Steuerung geschaffen werden. Die Aufgaben- und Anforderungskataloge werden über ‚Backlogs‘ erstellt. Die Arbeitspakete übernimmt wiederum ein Produktmanager und bereitet sie für sein Team auf. Der ‚Scrum-Master‘ (aus dem englischen für ‚Gedränge‘) übernimmt die Problemlösung und das operative und taktische Managen des Teams. Über das zentrale Software-Verwaltungsorgan wird damit im laufenden operativen Betrieb zusätzlich automatisiert sichergestellt, dass alle Teams auf das gemeinsame, große Ziel ausgerichtet sind. Und: In Folge wird diese Software mittels Künstlicher Intelligenz immer schlauer und treibt damit die Agilität des Unternehmens weiter voran.